30.08.11

Promis Hochzeit

Ein paar Tage später kippte der Sommer unter die Zwanzig-Grad-Marke, aber das tat meinem Durst keinen Abbruch und dann hatte ich auch noch eine Stunde Zeit.
Die Barfrau mit der niedlichen Zahnlücke ließ sich in ihrem Gespräch nicht durch meine Bestellung unterbrechen, sie zapfte mit zwischen Schulter und Ohr geklemmtem Hörer: „...ja Babs, ich habe es auch gesehen. Eine Traumhochzeit in Potsdam, an die von William und Kate kam sie nicht ran, aber Prinzessin Sophie sah viel glücklicher aus als Charlène...“
„Andersrum,“ brummte es tieffrequent aus der Ecke dazwischen, „Sophie, Prinzessin von-und-zu“.
Die Barfrau stellte mein Stout auf die Theke und fragte mit Blick über meine Schulter: „Was?“
„Sophie ist keine Prinzessin.“
„Aber das hat der Seelmann-Eggebrecht doch dauernd gesagt und der ist Experte!“
„Werner Erhard Rolf Seelmann-Eggebert ist studierter Ethnologe, der kennt sich mit schriftlosen, nicht-staatenbildenden Gesellschaften und kleineren ethnischen Gruppen aus.“
„Was soll das heißen?“
„Dass er weiß, Sophie ist keine Prinzessin, sie heißt nur so.“
Einen Augenblick konnte ich die Hintergrundmusik hören.
„Und was ist mit ihrem Mann? Dem Ururenkel des letzten Kaisers?“ triumphierte sie dann. Ich sah von der Frau hinter der Bar zum Heinz in der Ecke, es war ein bisschen wie bei einem Tennis-Match.
„Seit dessen Abdankung 1918 haben wir keinen Adel mehr.“
„Aber sie haben doch diese Namen und sie kommen aus uralten Familien.“
„Seitdem sind sie Bürger wie Du und ich ohne Vorrechte, also de facto kein Adel.“
Ich hörte zum ersten Mal so etwas wie ein Lachen aus der Ecke: „Und über die, na ja Taten, für die diese Familien ihre Titel ursprünglich mal bekommen haben, geschweige denn über die, für die sie die Vorrechte verloren haben, wärst Du entsetzt.“
„Aber da können die beiden doch nichts dafür, das waren ihre Vorfahren. Und Mary von Dänemark hat grade ihren Urlaub unterbrochen, um in Afrika zu helfen.“
„Was hilft sie denn da groß? Und im Unterschied zu Deutschland ist Dänemark eine parlamentarisch-demokratische Monarchie. Königin Margrethe ist so repräsentativ wie der Bundespräsident“.
„Siehst Du! Und Dänemark geht es viel besser als uns.“
„Das heißt lediglich, dass sie was sagen, aber nicht eingreifen darf.“
„Das wäre aber besser, die Politiker wirtschaften doch alle nur in die eigene Tasche.“
„Deine Adligen haben das über Jahrhunderte getan. Sie hatten ihre Länder mit Militär, Willkür und Unterdrückung fest im Griff, es gab keine Möglichkeit, ohne Gewalt etwas zu verändern.
Was glaubst Du denn, wo das ganze Geld herkommt, das diese Traumhochzeiten möglich macht? All die Paläste und die Kronen? Dafür haben Deine Vorfahren wenn nicht bluten, dann zumindest schuften müssen.
Jetzt, sozusagen aus der Opposition, ist Kritik einfach. Aber wer die Entscheidungen trifft, muss der Versuchung widerstehen, in die eigene Tasche zu wirtschaften, Freunde zu bevorteilen und sich so unangreifbar zu machen.“
„Sprichst Du jetzt von Berlusconi?“
„Gutes Beispiel,“ brummte der Heinz versöhnlich, „bunga-bunga mit der Nichte von Mubarak.“
,„Sie ist nicht die Nichte von Mubarak.“
„Wäre Berlusconi tatsächlich der König von Italien, würde niemand daran zweifeln, so wenig wie an seinen angeblich neuen, billigen Anzügen.“
„Warum nicht?“
„Er würde es einfach verbieten und alle Königstreuen würden ihm glauben, einfach seine neuen Kleider loben und ihn verteidigen, zur Not mit ihrem Leben.“
Der Heinz hob sein Glas zu einem imaginären Toast: „Der König ist tot, es lebe der König!
Ich hätte gern einen Jägermeister und spiel ruhig mal ‚König von Deutschland’.“