20.05.14

drum prüfe, wer sich ewig bindet...

Das Wetter wurde sommerlich, die Sonne schien, der Biergarten war gut besetzt. Aber mich kratzte das nicht. Ich belagerte den Tresen und wartete auf ein Stout. Der Geruch deutete daraufhin, dass der Heinz seine Ecke bewohnte. Als hätte es nie ein Rauchverbot gegeben.
"... und dann muss man diese neuen Handys davor halten, und die sagen einem dann, was es kostet oder was da drin ist. Ohne so ein Dingen erfährst Du doch gar nichts mehr. Was glauben die eigentlich, wer sich sowas leisten kann?"
Der Mann an der Bar war mir eindeutig unbekannt, aber genauso eindeutig empört.
"Naja," tönte es aus des Heinzens Ecke, "die selbst ernannten 'Kreativen' wollen mit der Wahl des Mediums die Zielgruppe bestimmen."
"Was?"
"Die Werbegeier wollen zahlungskräftige Kunden einer bestimmten Schicht und glauben, sie mittels ihrer Smartphones identifizieren zu können."
"Und was hat das mit mir zu tun?"
"Na Dich wollen sie nicht als Kunden."
"Weil ich kein so modernes Handy habe?"
"Weil Du zu alt bist, weil Du kein Geld für ein Smartphone hast, weil Du Dich nicht damit auseinandersetzen willst oder einfach nur, weil sie glauben, dass Du nicht mehr in die Zeit und in ihren Kundenkreis passt."
"Frechheit!"
"Und? Willst Du jetzt noch bei denen kaufen?"
"Nicht, wenn ich es vermeiden kann!"
Was dann passierte, hielt ich für ein Lachen. Oder sowas Ähnliches. Es war tief und es verstaubte die Innenluft: "Siehst Du, ein klassischer Fall von selbsterfüllender Prophezeiung. Du hast Dich genauso entschieden, wie sie es wollten. Wenn Du bei ihnen kaufst, sinkt das Image ihrer Ware. Wenn Du ihre Produkte benutzt, überlegen sich die jungen, hippen, finanzstarken Käufer, ob sie diese Produkte überhaupt wollen.
Okay, Waren kannst Du verweigern, aber was machst Du mit Deiner Regierung?"
"Wieso?"
"Weil die Regierung inzwischen selbst diese Codes benutzt. Gesundheitsminister Gröhe nutzt die Dinger zum Kennzeichnen fair getradeter Waren. Die kannst Du nur noch mit Smartphone und einer App erkennen."
"Die interessieren mich doch gar nicht!"
"War klar. Aber es nimmt zu. Bald wirst Du nicht mehr wählen können, weil die Slogans auf den Wahlplakaten nur noch mit der App zu erkennen sind."
"Ich wähle doch nicht wegen der Sprüche auf den Wahlplakaten!"
"Na, da hat die Demokratie ja noch mal Glück gehabt." Eine neute Wolke verbreitete sich aus der Ecke über den Raum. "Aber auf den Wahlplakaten steht sowieso nichts über Gen-Mais, Griechenlandrettung für die Banken oder das geheime Freihandelsabkommen mit den USA. Sollten sie jetzt noch die vollständig uneitlen und ungeschönten Porträts unserer Regierenden in QR-Codes umsetzen, würden die Plakate deutlich kleiner."
"Und?"
"Zumindest würden die Pappköppe den Verkehr nicht mehr so behindern." Nächste Wolke. "Im Gedenken an unsere Kryptographen sollten wir einen Club-Mate-Tee trinken und etwas Zwölfton-Musik hören."
"Krypto-Was? Und Tee fasse ich nicht an!"
Ich grinste und bestellte noch ein Stout.