05.11.11

Days after tomorrow

"Und Du Kollege?" fragte der Heinz letztlich und ziemlich unvermittelt.
Ich sah über die feste Schaumkrone meines Stouts und wusste nicht so recht, was er von mir wollte.
"Schon alle griechischen Euros abgestoßen?"
"An Devisen hab' ich nie geglaubt", ich nahm einen ordentlichen Schluck und ließ das kühle, samtig-bittere Schwarzbier langsam die Kehle runterlaufen, "bloß an Pfandflaschen."
"Solide Währung", stimmte der Heinz zu. "Besser ein bisschen Leergut als gar keine Wertgegenstände im Haus. Was ist mit Goldzähnen?"
"Nö, bin west-deutsch sozialisiert."
"Ja, Erziehung kann ein Problem sein. Wenn man nicht schon in der Kindheit mit der mittelalterlichen Tauschwirtschaft vertraut gemacht wurde, investiert man später leicht in die falschen Werte. Keramikkronen und Kunststoffinlays werden auf dem Schwarzmarkt keine zwei Zigaretten wert sein."
Na danke, dachte ich, und das, wo sich mein Zahnarzt so ins Zeug gelegt hatte. Laut fragte ich: "Und selbst?"
Nachdenklich paffte er ein paar kurze Wölkchen in den halbdunklen Raum.
"Im Nachhinein habe ich mich wohl zu sehr von persönlichen Interessen verleiten lassen. Auch die besten italienischen Schreibgeräte werden mir nach dem Euro nicht mehr viel bringen. Mit solchem Plunder werden sie uns überschwemmen."
"Jaja, all die Prada-Taschen und Espressomaschinen: In der Inflation keinen Teller Risotto mehr wert."
"Gut dass wenigstens die Griechen niemals Realwerte produziert haben, auf die man reinfallen konnte. Ich meine, wer sammelt schon antike Streitwagen oder Ikonen?"
"Ganz im Gegenteil zu italienischen Produkten."
"Schon, aber wer schon mal versucht hat, im lichtgrauen Cerrutti-Anzug seinen Stall auszumisten oder Kartoffeln zu ernten... "
" ...oder mit dem Ferrari den Rübenacker zu pflügen? Dabei mag ich Rüben nicht mal besonders, aber am Markttag kann man sie prima tauschen."
"Komisch, dass ich nicht schon früher bemerkt habe, wie unpraktisch diese Dinger eigentlich sind. Selbst in der brüchigen märkischen Scholle würgt man so eine Rennkupplung dauernd ab."
Der Heinz war noch bei Sportwagen, also tat ich ihm den Gefallen: "Aber schön waren sie schon."
"Ja", seufzte er verträumt und entließ noch zwei Wölkchen in den Raum, "schön waren sie."
Dann riß er sich zusammen: "Mellie?"
Die Barfrau sah gelangweilt von der 'Gala' hoch.
"Ich brauche jetzt ganz dringend ein paar Klassiker: Hast Du den 'letzten Sirtaki' von Rex Gildo im Computer? Und wenn Du irgendwo eine Flasche Brunello di Montalcino auftreiben könntest? Noch haben wir zwar keine Inflation, aber was soll's? Wenn er erstmal nichts mehr wert ist, schmeckt er bestimmt auch nicht mehr so richtig."
Oha, dachte ich und kippte schnell den Rest meines Stouts.