07.05.13

sex and drugs and rock 'n' roll

Das Wetter kippelte zwischen kalt und sommerlich, aber regnerisch, was immer noch besser war, als die kleine Eiszeit bis April. Der FC Bayern München und seine Sponsoren, alles Firmen, die kleinste Verstöße ihrer weniger prominenten Mitarbeiter gegen die Firmenpolitik mit fristlosen Kündigungen ahndeten, hatten in der noch strafrechtlich zu verfolgenden Steueraffäre Hoeneß eine Konsequenz wahrhaft berlusconischer Ausmaße gezeigt; gewissermaßen die spätrömische Dekadenz, vor der die FDP noch vor Kurzem gewarnt hatte, das allerdings am anderen Ende der Nahrungskette.
Zeitgleich wetterte die neoliberale Spitze auf ihrem Sonderparteitag gegen den 'Räuber Hotzenplotz' und seine Grünen, die ihre Themen besetzt hatten.
Diese Grünen wiederum hatten in NRW das absolut absoluteste Rauchverbot installiert, das ohne die gleichzeitige Wiedereinführung der Todesstrafe vorstellbar war.
Die Themen bewegten sich in konzentrischen Kreisen. 
Aktuell hielt ich mich mal wieder an einem kühlen Schwarzen fest, während der Heinz mittels mehrerer Rauchwolken ankündigte, dass es einer neuen Zigarre an den Kragen ging.
"Na," sagte Mellie mit tiefem Blick in die Feinstaubwolke, "da kannst Du ja froh sein, dass wir nicht in Nordrhein-Westfalen sind."
Die Anlage spielte die letzten entspannten Klänge von 'Waterloo Sunset' und der Heinz reagierte nicht.
An der Theke legte Thomas nach: "Rauchen ist ungesund. Du solltest stärker auf Deine Gesundheit achten."
Der Heinz stieß die obligatorischen Wölkchen aus und ignorierte auch ihn.
Ich bestellte das nächste Stout. Die Musik wechselte auf 'Sky High', Mellie auf direkten Angriff: " In Dänemark wurden die Raucherpausen verboten."
Entnervt sah der Heinz von seinen Notizen hoch: "Und?"
Mellie und Thomas sahen ihn erstaunt an: "Was würdest Du bloß ohne Zigarren tun?"
Der Heinz sah sie nacheinander an: "Umziehen." Und er widmete sich wieder seinem Schrifttum.
Thomas konnte es nicht lassen: "Nein ehrlich: Was, wenn Du gar nicht mehr rauchen darfst?"
Der Heinz sah wieder hoch: "Nach Kuba, politisches Asyl beantragen."
"Du würdest eher nach Kuba ziehen, als das Rauchen aufgeben?"
"Was spricht dagegen? Besseres Wetter, billigere Zigarren, fantastischer Rum und schönere Frauen."
"Hallo?" beschwerte sich Mellie.
Der Heinz schenkte ihr ein Achselzucken der Marke: Hättest halt nicht anfangen sollen. "Überhaupt: Eine Regelung, die einen angeblich davor bewahrt, die eigene Gesundheit zu schädigen, ist doch so dünnsinnig wie der Gurtzwang im Auto."
"Häh?"
"Auch die Anschnallpflicht müsste eigentlich gegen den Grundsatz der freien Entfaltung der Persönlichkeit im Grundgesetz verstossen."
"Aber sie gilt."
"Da Du, falls Du bei einem Unfall verletzt wirst, weil Du nicht angeschnallt warst, anderen Unfallopfern nicht mehr helfen könntest. Vom Rücken durch die Brust ins Auge.
Und dass ausgerechnet die Gesundheitsökologen, die das Rauchen verbieten wollen, häufig die Freigabe von Marihuana befürworten, stört Dich dabei nicht?"
"Wieso?"
"Das Gras ist frei, aber rauchen darfst Du es nicht? Bald kommt man in Kindergärten leichter an Haschkekse, als an Zigaretten in Kneipen für Erwachsene."
Genüsslich sog der Heinz an der Zigarre und entließ eine Monsterwolke in den Raum.
Mellie sah ihn fragend an: "Erst das Essen, jetzt das Rauchen - was ist das nächste Ziel der Gesundheitstaliban, wenn das absolute Rauchverbot durchgesetzt ist?"
"Alkohol. Du wirst dann nur noch Apfelsaft und Kräutertee verkaufen, während gleichzeitig ein schwunghafter Schwarzhandel mit gestrecktem Tabak und Schwarzgebranntem entstehen wird. So hat schon die Mafia in den Zwanzigern ihre Anschubfinanzierung erhalten: Durch die Prohibition."
"Was?"
"Genau. Und jetzt will ich einen doppelten Absinth und 'Sex 'n' drugs 'n' rock 'n' roll' und keine Widerrede."