21.06.13

Jingle auf der Flucht oder Einsatz in Lichterfelde

Im Juni waren die Hundstage gekommen, genau wie Barrack Obama. Wozu, wusste keiner so genau. Passend dazu wurde am Tresen lautstark der letzte Vorschlag von Innenminister Friedrich, die Strafverfolgung in Deutschland wesentlich effizienter zu gestalten, diskutiert.
"Natürlich hätten die Bullen mit amerikanischen Sirenen mehr Erfolg," meinte der lange, dünne Typ im schreiend bunten Tank-Top an der Bar, während er intensiv versuchte, Mellies ohnehin schon großzügigen Ausschnitt noch etwas tiefer auszuloten.
"Die kennen wir doch alle seit unserer Kindheit aus Film, Funk und Fernsehen: 'Einsatz in Manhattan', 'Straßen von San Francisco', 'Starsky und Hutch', 'Miami Vice' oder 'CSI'."
"...'T.J. Hooker', 'Chips'," brummelte der Heinz unüberhörbar aus seiner Ecke.
"Wie bitte?"
"Zwei der langweiligsten Krimiserien der Achtziger," meinte der Heinz, "aber eben mit ganz viel Jammer-Sirene."
"Und?" der Typ an der Bar konnte sich immer noch nicht entscheiden, ob er seine Aufmerksamkeit lieber in des Heinzens oder Mellies Argumente investieren sollte.
"Wer glaubt denn wirklich, dass deutsche Straftäter im bloßen Gedenken an Dave Starsky oder Sonny Crockett sofort rechts ran fahren, wenn sie eine amerikanische Sirene hören?"
Außerdem übersieht unser Innenminister in seiner Innovations-Wut, dass die Ausstattung der Polizeikräfte Ländersache ist. Und die Bundesländer können sich ja nicht mal auf eine Uniform- oder Wagenfarbe einigen."
Jetzt konnte sich der Typ endlich von Mellie losreißen und sah den Heinz direkt an: "Die verdammten Bundesländer blockieren immer alles, ganz besonders seit die Sozis dort die Mehrheit haben."
"Naja, Gesetz ist halt Gesetz."
"Aber man könnte das wirklich leicht umsetzen. Die Autos haben doch schon lange keine Sirenen mehr, die haben Tongeneratoren, die im Prinzip jeden beliebigen Klang simulieren können."
Der Heinz nickte: "Das ist ja toll. Jeden Klang? Und alle Geräusche? Also auch Blähungen oder quietschende Türen?"
"Bleiben Sie doch bitte ernst!"
"Bei dem Thema? Weil die Sirene von Polizeifahrzeugen der wichtigste Aspekt moderner Strafverfolgung ist? Nicht wirklich, oder?"
Die beiden schwiegen einen Moment, aber mir war klar, dass der Heinz sein letztes Wort noch nicht gesprochen hatte.
"Das wäre aber auch eine super Möglichkeit, die leeren Kassen aufzufüllen."
"Wie das?"
Manche Menschen rennen eben sehenden Auges in ihren Untergang.
"Na, sie könnten Straftäter auf der Flucht ansimsen und ihnen - für eine kleine Gebühr natürlich - ihren Lieblingssong als Wohnblock erbebenden Sirenenjingle anbieten. Die Titelmelodie vom 'Paten' zum Beispiel.
Und Intensivstraftäter könnten dann von ihrem frisch Geklauten ein Monatsabo per Flatrate buchen. Um aus einem Fundus von sagen wir fünf Songs einen Monat lang ihren Lieblingssong als Sirenensound ganz individuell für jede Verfolgungsjagd wählen.
Jeden Tag veränderbar, Kündigungsfrist alle drei Monate; für den Fall, dass mal mehr zu tun ist. Der richtige Jingle auf der Flucht bringt die verbrüderten Knastis doch vor Neid zum Platzen."
Der Typ an der Bar sah erst irritiert, dann zunehmend verärgert von dem Heinz zu Mellie und zurück. Als beide tatsächlich ernst blieben, warf er einen Geldschein auf den Tresen und verlies gemessenen Schrittes und ohne ein weiteres Wort das Lokal.
"Na also," meinte der Heinz, "das hat ja gedauert. Und jetzt bitte 'Polizisten' von Extrabreit und einen extraweichen 'Mariacron' für alle, denn das Leben ist schon hart genug."
"Danke, nicht für mich," sagte ich leise, aber verständlich.

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