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04.02.14

La Statue


Endlich hatte ich wieder Gelegenheit, tiefenentspannt über ein Stout nachdenken zu können. Aber da war ja nicht bloß der Geruch nach Zigarren, sondern ...
"Warum können sie sie nicht einfach zufrieden lassen?"
Und ich hatte mich auch schon gefragt, was die kühlschrankblonde Fünfzigjährige ausgerechnet in der kleinen Kneipe wollte; die Eisschorle vor ihr hatte dabei wohl nur untergeordnete Bedeutung - ich kannte die Weinkarte. Außerdem, bei der Menge Eis hätte ihr Wein auch mit Flusssäure verlängert sein können. So war sie nur jemand, den das Schicksal vorbei geschickt hatte, um dem Heinz die Möglichkeit zu geben, seine Anmerkungen zum Weltgeschehen anbringen zu können:
"Moralisch? Du liebe Güte, jemand der sich jahrzehntelang ein ums andere Mal zum moralischen Maßstab macht, warum sollte man dem nicht auch ein paar ebenso jahrelange persönliche Bereicherungen nachsehen?"
"Das ist doch der reinste Rufmord!"
"Rechtlich? Rufmord wäre es, wenn es sich um Verleumdungen oder Gerüchte handeln würde. Dem ist nicht so."
"Die Medien hätten das Thema gar nicht aufgreifen dürfen!"
"Medial? Aufgabe der Medien ist es, relevante Dinge darzustellen. Steuerhinterziehung und öffentliche Personen gehören dazu. Alle Fakten sind klar und eindeutig."
"Sie hat sich selbst angezeigt, hat ihre Schulden bezahlt und damit sollte doch Ruhe sein."
"Sozial? Sie hat einen Ausweg benutzt, der Reichen die Möglichkeit bietet, sich aus einem bereits erfolgten Vergehen nachträglich herauszukaufen und das für weniger, als es sie gekostet hätte, wenn sie für die ganze Zeit Steuern gezahlt hätte und nicht nur für die geforderten zehn Jahre."
"Aber so muss man doch wirklich nicht mit ihr umgehen."
"Menschlich? Es sind die Folgen ihres Fehlverhaltens, natürlich sind die unangenehm."
"Frau Schwarzer hat eine eine Lebensleistung erbracht. Das macht man doch vollkommen kaputt, so geht man mit dem Hoeneß doch auch nicht um."
"Sportlich? Mit dem vorbestraften Rummenigge und dem Tränentier Hoeneß, der seinen Prozess erwartet, ist der FC Bayern inzwischen doch sowieso eine kriminelle Vereinigung, Mafia light. Da würde unsere Preisträgerin des 'stupid white man' ehrenhalber gut hineinpassen. Haben die beiden nicht auch ein Bundesverdienstkreuz? Vielleicht machen sie ihr ja noch ein Angebot, dass sie nicht ablehnen kann: Im Vorstand wären diese Leistungsträger unter sich."
Der Heinz zog an seiner Zigarre: "Tut mir leid, wenn das Denkmal für die unbekannte Feministin gefallen ist. Immerhin hat sie diesmal tatsächlich was für die Gleichberechtigung getan: Sie gezeigt, dass Frauen doch nicht die besseren Menschen sind."
Die Kühlschrankblondine wandte sich frustriert ihrer Eisschorle zu.
"Mellie, zur Feier des Tages hätte ich gern einen Doppelkorn und hast Du was von Jacques Brel da? 'La statue' vielleicht?"

09.06.12

Das Handy des Ferengis

Zweiundzwanzig Grad hielten die Stadt im feucht-schwülen Würgegriff, während die Fußball-EM mit ihren Expertenrunden, Tabellen und Schwarz-Rot-Gold in den Alltag Einzug gehalten hatte wie seinerzeit Hurrikan Katrina in New Orleans.
Mir klebte das Hemd am Leib; alles, was den Körper berührte, war zuviel. Ich brauchte ein kühles Stout. Kaum hielt ich es in der Hand, stand Mellie, die Barfrau mit der süßen Zahnlücke, auch schon wieder vor des Heinzens Ecktisch: "Die haben mir keinen neuen Vertrag gegeben, weil meine Kreditwürdigkeit nicht ausreicht. Blödsinn! Ich habe keine Schulden und meine Rechnungen zahle ich immer."
"Wir hatten über Rating-Agenturen gesprochen. Deine persönliche Rating-Agentur heißt Schufa. Die kennt den Menschen nur als finanzielles Risiko."
"Was soll das heißen?" fragte Mellie misstrauisch.
Der Heinz stieß Rauch aus, der in Menge und Dichte für jeden Rauchmelder den Overkill bedeutet hätten. Mellie schien es nicht mal zu bemerken.
"Du kennst den Spruch, nachdem jeder Mann ein potentieller Vergewaltiger ist."
Mellie nickte.
"Nun, für die Schufa ist jeder Mensch ein Schuldner. Auch wenn Du keine Schulden hast, müssen sie wissen, ob Du sie bezahlst, wenn Du welche kriegst. Bänker sind Ferengi."
Im Universum von Raumschiff Enterprise schien Mellie verloren.
"Statt an Nächstenliebe glauben sie an die Regeln des Profits. Ihr Glaube beruht darauf, dass jedes Wesen irgendwann Geld von ihresgleichen leihen wird."
"Ich wollte doch nur einen anderen Telefonvertrag."
"Das heißt Vorleistung und dann müssen sie wissen, ob und wie zurückgezahlt wird, egal, ob Dir das schadet. Weil sie nicht an Kristallkugeln glauben, vergleichen sie alle Daten, die sie kriegen können. Triangulation.
Wenn Du in einer armen Gegend wohnst, bist Du verdächtig. Wenn Du keinen Festnetzanschluss hast, bist Du weniger kreditwürdig. Du wirst für Dein Alter, Deinen Job, für Dein ganzes Leben und für alle in Sippenhaft genommen, die bei Dir wohnen und mit Dir arbeiten. Du kriegst nur noch teure Kredite und keine Telefonverträge.
Ihr letzter Coup hätte der Abgleich mit Deinen Kontakten bei Facebook und Co. werden sollen. Verbindung mit Sozialhilfeempfängern hätte bedeutet, dass Du auf dem Weg in die Sozialhilfe bist."
Der Heinz streifte die Asche ab. "Laut Wikipedia lag die Fehlerquote der Schufa 2002 über sechzig Prozent, 2010 bei siebenunddreißig Prozent. Aber Banken, Telefonanbieter und Versandhäuser glauben an ihre Werte."
"Man ist nicht kreditwürdig, weil die Nachbarn Schulden machen?" fragte ich.
"Was ist dann mit Konkurskandidaten wie den Schleckers? Die müssten ihre Millionärs-Nachbarn doch ein paar Punkte Kreditwürdigkeit kosten."
"Das ist etwas ganz anderes. Steuerhinterzieher und Profit-Bankrotteure haben prinzipiell Geld. Da scheißt der Teufel nur auf den größten Haufen und landen die fiesesten Katzen immer auf den Pfoten. Ferengi-Logik." Der Heinz drehte die Zigarre zwischen seinen Fingern.
"Als nächstes werden die Ferengis von der Schufa mit Entsorgern wie der 'BSR' oder 'ALBA' Verträge schließen, um aus Deinem Müll zu erfahren, wie sparsam oder verschwenderisch Du bist und welchen Überzeugungen Du angehörst."
"Weil ich also kein Festnetz brauche, da ich wegen meiner Arbeit kaum zu Hause bin, kriege ich keinen Mobilvertrag mehr?" wollte Mellie wissen.
Der Heinz grinste: "Und wenn Du bar zahlst, schadet das Deiner Kreditwürdigkeit und kriegst kein Konto mehr. Weswegen Du auf ewig bar zahlen müsstest. Ganz abgesehen davon, dass Du ohne Konto heutzutage weder Job noch Wohnung kriegst. Die soziale Abwärtsspirale als Aufbruch in neue Welten und fremde Dimensionen; der Hauptmann von Köpenick lässt grüßen."
"Aber unser Entwicklungshilfeminister, der seinen Teppich vom BND einfliegen lässt, ohne ihn zu versteuern, schadet der Kreditwürdigkeit seiner Wohngegend nicht, weil sich reiche Menschen in der Mehrheit nun mal so verhalten?" fragte ich.
"Mein Gott, jetzt hat sie's", frohlockte der Heinz.
"Mellie, verhalte Dich einfach so asozial wie alle anderen Millionäre. Und mach uns mal eine schweineteure Runde Zieglers Wildkirsch.
Ich nehme nicht an, dass Du den Song 'startrekkin' auf dem Computer hast? Den Ferengis zu Ehren?"