30.10.12

Beautiful Sunday

"Was Schönes eingekauft?" wollte Mellie wissen, als ich die bunte Plastiktüte klirrend auf dem Tresen abstellte.
Ich zog einen Flunsch und bestellte mein Stout.
"Dass ausgerechnet Du am Sonntag einkaufen gehst..."
Ich sah sie über den Rand des Glases an: "Wieso?"
"Üblicherweise verteidigst Du die Werktätigen Genosse," brummte der Heinz und Rauch wehte aus seiner Ecke in den Barraum, "da war davon auszugehen, dass Du alter Gewerkschafter den verkaufsoffenen Sonntag scheust wie der Teufel das Weihwasser."
"Sehr lustig."
"Ich muss auch jeden Sonntag arbeiten," meinte Mellie.
"Du und jeder andere Pfarrer," lachte der Heinz, "alles Männer Gottes."
"Das wage ich noch zu bezweifeln," maulte ich zu leise in mein leeres Glas, um gehört zu werden, und bestellte das nächste. "Die Schlossstraße hinauf und hinunter habe ich ganzen Hunnenhorden mit drei Buchstaben auf dem Kennzeichen die Stirn geboten und musste dann trotzdem zum Apotheken-Nachttarif bei Karstadt einkaufen. Mehr als die Hälfte aller Läden war nämlich nicht geöffnet."
"Freies Unternehmertum," gab der Heinz zurück, "niemand wird gezwungen, Geld zu verdienen."
"Sei zufrieden, dass Du in Berlin lebst. Hier gibt's wenigstens keine Sperrstunde," sagte Mellie, ganz stolze Hauptstädterin.
"Oh," der Heinz gab den Oberlehrer, "die bundesweite Sperrstunden-Regelung gibt es schon lang nicht mehr. Inzwischen legt jedes Bundesland selbst fest, wann wer aufhaben darf. Deshalb haben wir auch diese entzückend kleinteiligen Regelungen mit den zwei verkaufsoffenen Advent-Sonntagen und den seltsamen Öffnungszeiten für die Läden im Hauptbahnhof und demnächst im Flughafen."
Mellie nickte: "Die habe ich nie verstanden!"
"Das eine hängt an der Zahl der verkaufsoffenen Sonntage pro Jahr. Die Kirchen verlangen Kompromisse, damit mehr ihrer Schäfchen Sonntags Zeit für sie haben. Und die Entscheidung, welche Läden an normalen Sonntagen öffnen dürfen, hängt davon ab, ob es sich bei ihrer Ware um Reisebedarf handelt."
"Reisebedarf?"
Der Heinz sah sie nachsichtig an: "Aber noch besser sind die Bayern. Bei deren Tankstellen kriegst Du nach acht und an Wochenenden nur Ware, wenn mit dem Auto vorfährst."
"Super," sagte ich, "Deiner Party geht nach Stunden das Bier aus, und Du musst mit dem Auto einkaufen fahren, egal wie viel Du schon intus hast. Erhöht die Verkehrssicherheit bestimmt ungemein."
"Nun sag schon," fragte Mellie, "was hast Du denn nun so dringend gebraucht?"
"Bier." Ich sah zur Decke. "Und eine bestimmte Flasche Whisky."
"Schätzchen, Du hättest doch nur zu mir kommen müssen," säuselte Mellie, "ich hab doch jeden Sonntag auf. Und zum Schluss endest Du doch sowieso jedes Mal wieder hier."
Ich nickte gottergeben, sie blickte in meine Plastiktüte.
"Na dann einen Jim Beam Rye für alle und ein Bier!" rief sie. "Und soll ich mal 'Sunday bloody sunday' für Dich auflegen?"

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